Boris Palmer – Tübingens Batman(2)

Ein kleiner Nachtrag zur rechtlichen Situation um Boris Palmers Zwischenfall. Mittlerweile berichtete auch lto.de von dem Vorfall und befragte Professor Jörg Ennuschat, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht an der Ruhr-Universität Bochum.

Im gestrigen Beitrag habe ich Palmers Verhalten an § 26 PolG B-W gemessen. Wenn man es ganz genau nimmt, muss man unterscheiden, zu welchem Zweck er die Identität festgestellt wissen wollte. Geht man von der Schilderung Palmers aus, wonach der Student lautstark randalierte und er daraufhin eingeschritten sei, erfolgte die Identitätsfeststellung wohl nicht zur Gefahrenabwehr, sondern um einen Verstoß gegen § 2 der polizeilichen Umweltschutzverordnung der Stadt Tübingen (so der korrekte Name) zu verfolgen.

Der Student, der mich attackierte, hat absichtlich gegen §2 der örtlichen Polizeisatzung verstoßen: „Es ist verboten, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr die Nachtruhe anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar, insbesondere durch lärmende Unterhaltung, Singen, Schreien oder Grölen zu stören.“ Hierfür ist ein Ordnungsgeld bis 5000 Euro vorgesehen.
Aus diesem Grund war ich berechtigt, seine Personalien festzustellen.

Das habe ich klar und deutlich mit meinem Dienstausweis verlangt.

Boris Palmer, Facebook, 26.11.2018

Wenn das so ist, Boris Palmer also die Identität nicht auch feststellen wollte um befürchtete weitere Ruhestörungen zu verhindern, dann dürfte Herr Palmer die Identität zwar auch feststellen, weil er dann nach § 18 Abs. 3 PolG B-W zuständig war und sich auf § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 163b StPO stützen konnte.

Er hat dann aber ein ganz anderes Problem:
Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht ist der Beschuldigte, wie im Strafverfahren, zu belehren, § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m.§ 136 StPO. Ich glaube kaum, dass das im Eifer des Gefechts geschehen ist.

 

4 Kommentare zu „Boris Palmer – Tübingens Batman(2)

  1. Das kann man anhand der dünnen Sachverhaltsschilderungen nicht sagen. Grundsätzlich ist es so, dass bei einer fehlenden Belehrung ein Beweisverwertungsverbot entsteht. Das bezieht sich dann auf alle Äußerungen, die ab dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem hätte belehrt werden müssen.

    Weil man nicht genau weiß, was hier wann wie gesagt wurde, kann man zu den Folgen des Verstoßes nichts Konkretes sagen.

  2. Nachdem er den Betroffenen kaum zur Sache vernehmen wollte, ist eine Belehrungspflicht fraglich; jedenfalls wäre ihre Verletzung konsequenzlos.

  3. Wenn man schon einen juristischen blog betreibt und Nachrichten juristisch „analysiert“ sollte man die Grundlagen
    – doppelfunktionelles Handeln bei Zuständigkeit für Gefahrenabwehr einerseits und repressives Handeln/OWiG+StPO andererseits auf dem Schirm haben
    – und „Beschuldigten“ und „Betroffenen“ unterscheiden können.
    – eine Identitätsfeststellung (keine Belehrung erforderlich, arg. e 111 OWiG) und eine Beschuldigtenvernehmung zur Sache (Belehrung erforderlich) auseinanderhalten können.

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